in »short stories« beschäftigt sich toula limnaios ganz bewusst mit kurzen, einfachen formen. in zwei duetten und einem solo, die ebenso getrennt wie miteinander verknüpft sind, öffnet sie einen fächer persönlicher geschichten. sie erzählen vom wechselspiel zwischen gleichklang und auseinanderdriften, innigkeit und verlorenheit. in poetischen, teils absurden bildern werden beziehungen zwischen menschen durchleuchtet, die von ralf r. ollertz mit bandoneon, schlagwerk und live-elektronik begleitet werden.
»wäre dies ein film, würden sie sich jetzt küssen, aber es ist ein tanzstück von toula limnaios, und da passieren andere dinge als die erwartbaren. … das kräfteverhältnis verschiebt sich ständig zwischen diesen menschen, … toula limnaios benutzt einen ganz feinen choreografischen stift, sie geht ins detail.« (frankfurter rundschau, sylvia staude, 2006)
die cie. toula limnaios wird institutionell gefördert durch das land berlin, senatsverwaltung für kultur und europa.
gastspiele: caracas, venezuela, sao paulo, brasil dança em pauta, dortmund, frankfurt/m., athen, krefeld, dakar
wiederaufnahme 2016 tanz: daniel Afonso, katja scholz, hironori sugata, karolina wyrwal, inhee yu
wiederaufnahme 2006 tanz: nefeli skarmea, carlos osatinsky, ute pliestermann, katja scholz, hironori sugata
premiere 2005 tanz/kreation: dagmar bock, katja scholz, hironori sugata, anuschka v. oppen, carlos osatinsky
fotos: dieter hartwig, johann camut
»umlaufbahn um den tanz /// die choreografin toula limnaios erzählt im mousonturm fein ziselierte »short stories«. die frau lässt sich fallen und steht auf, lässt sich fallen und steht auf, immer wieder, der mann schaut zu. bis sie stehen bleibt und ihre gesichter sich nähern. wäre dies ein film, würden sie sich jetzt küssen, aber es ist ein tanzstück von toula limnaios, und da passieren andere dinge als die erwartbaren. die beiden bewegen ihre köpfe aneinander vorbei, ein paar zentimeter abstand sind immer zwischen ihnen, als wollten sie sich beschnuppern. dann tanzen sie doch noch zusammen, aber eine einfache beziehung ist das nicht.
short stories, kurzgeschichten, hat die in berlin lebende (und in ihrer eigenen spielstätte ›halle‹ arbeitende) griechische choreografin toula limnaios das rund einstündige stück für fünf tänzer genannt, das von ein- und zweisamkeit erzählt. und das sie jetzt in den mousonturm brachte, der sich entschieden wieder als frankfurter ort für viele formen des tanzes positioniert.
für einen tanz in diesem fall, der mit stimmungen arbeitet, der keine geschichten aufdrängt, sie nur dezent anbietet. und der dabei auf erstaunliche weise von der musik ralf r. ollertz’ unterstützt wird, die der komponist, auf der bühne sitzend, mit bandoneon und diversem schlagwerk spielt. oder auch nur ins mikro pustet, atmet. limnaios und ollertz haben die ›cie toula limnaios‹ 1996 gemeinsam gegründet, offenbar haben sich da verwandte seelen gefunden: selten bezieht sich musik so klug und verständnisvoll auf tanz, schafft ihm einen so aufgeladenen raum, in dem er trotzdem frei atmen kann.
so entstehen short stories aus eigentlich recht abstrakten, aber dennoch gefühlsgetränkten bewegungen, kurzgeschichten, die varianten des mann-frau-miteinanders abbilden. das kräfteverhältnis verschiebt sich ständig zwischen diesen menschen, der hoch komplexe tanz verbietet einfache antworten. toula limnaios benützt einen ganz feinen choreografischen stift, sie geht ins detail, sie sucht nach der bewegung, die noch nicht abgenutzt ist. zusammen übrigens mit ihren tänzern, die sie als co-autoren nennt: carlos osatinsky, ute pliestermann, katja scholz, nefeli skarmea, hironori sugata.
die choreografin toula limnaios hält sich angenehm fern von moden. und wenn sie, wie in den short stories, die nicht gerade frische idee von niedrig hängenden, schwingenden lampen als lichtquelle nützt (licht: klaus dust), so mit präzision und schärfe. einmal umkreist eine der lampen ein paar, die frau hat sie mit einem stoß auf diese – für die tänzer gar nicht ungefährliche – umlaufbahn geschickt. und so wie licht und schatten über die beiden körper huschen, so geschwind verwandeln sich auch ihre bewegungen.« (sylvia staude frankfurter rundschau, 2006)
»als poetin des tanzes und bewegungsphilosophin wurde toula limnaios bezeichnet. gestern abend hatte in der halle … ihre neue choreographie uraufführung: ›short stories‹ heißt sie und der ankündigung nach sollte es um zwischenmenschliche beziehungen gehen. …
ein abend, der beim betrachter die unterschiedlichsten emotionen und gehdanken auslöst, auch auslösen soll. der bewegungsansatz bei toula limnaios war immer schon formal, nur dass das formale hier eben niemals nur selbstzweck ist, sondern immer gerade in der abstraktion dann intimität und intensität des tanzes sucht. das hier sind wieder sehr, sehr starke stimmungsbilder – sehr poetisch, sehr berührend, manchmal auch verstörend. sicherlich kann man sagen, es geht hier um momentaufnahmen von beziehungen, die zwei menschen zueinander haben können oder die ein einzelner mensch zu sich selber haben kann. es geht um anziehung/abstoßung, nähe und distanz, halten und gehaltenwerden. der zugang ist nicht ganz einfach, aber die belohung, die man dafür bekommt als zuschauer, die ist sehr hoch. man kann sich jetzt … ein bild machen. empfehlen sie uns hinzugehen …? ja, durchaus, wobei man keinen einfachen tanzabend erwarten darf, weil toula limnaios immer radikaler wird bei der bewegungsfindung und auch bei der bildsprache, die sie sucht. man ist als zuschauer wirklich zum empfinden, ja zum empfangen aufgefordert. aber ganz eindeutig ist jetzt schon, dass toula limnaios einen ganz eigenen weg geht hier in berlin, dass sie keine vergleichbare compagnie oder choreographin hat und ganz allein an der eigenen körper- und ausdruckssprache arbeitet und sich da immer weiterentwickelt, und das allein ist schon wirklich bewundernswürdig.« (rbb-kulturradio, ein live-gespräch mit frank schmid, 2005)
»mann und frau liefern sich heißen tanz /// ›short stories‹ – kurzgeschichten sind eine bestimmte form von kurzprosa, für die vor allem kompositorische verdichtung typisch ist, typisierung der personen und die reduktion auf einen wirklichkeitsausschnitt als schilderung eines moments inmitten alltäglicher begebenheiten, denen aber über sie hinaus gehende verweisfunktionen zukommen. auf die bühne eines tanztheaters gebracht, sind diese merkmale fast ebenso deutlich wie in der literatur zu erkennen: fünf tänzerinnen und tänzer beleuchteten in prägnanten, kurzen szenen die verschiedenen spielarten zwischenmenschlicher beziehungen. es sind beziehungen, wie sie jeder kennt und jeder hat. deshalb treten die darsteller auch nicht von der seite oder von hinten auf, sondern sitzen im publikum zwischen den zuschauern. menschen wie du und ich eben. am beginn der beziehung steht die nase: neugierig beschnüffeln sich mann und frau zunächst, bevor sie finden, dass sie zueinander passen und eine beziehung wagen. aber auch andere spielarten sind denkbar: gewaltvolle varianten, bei denen gefühle und auch verschiedene interessen frontal aufeinander prallen. oder beziehungen, in denen sanfte gewalt ausgeübt wird. hier in form einer lampe, durch die das gegenüber offenbar hypnotisiert wird. oder besitzergreifende varianten, in denen der eine den anderen nicht mehr loslassen will und ihm dabei fast die luft zum atmen nimmt. ralf r. ollertz liefert zu diesen kurzgeschichten eine spannende live-musik, die das geschehen filmmusikähnlich untermalt: ›wabernde‹ bandoneonklänge thematisieren die zu beginn noch instabile beziehung, harte schläge auf das becken, begleitet von schreien, die durch eine akustische schleife ins fast unendliche fortgesetzt werden, unterstreichen die gewalttätigkeiten. wieder ein äußerst spannender abend.« (waz, martina lode-gerke, 2005)
»toula limnaios zerrt ans licht der wahrheit, was an verborgen regungen in den körpern und köpfen rumort. die wahrheit, auf die die choreografin abzielt, liegt direkt unter der hautoberfläche. so verfährt toula limnaios in ihren tanzstücken wie ein anatom. in ›short stories‹, das in der halle zu sehen ist, liegen die körper der tänzer schon mal ausgestreckt unter einer tief hängenden lampe – bis die choreografin ihre ersten schnitte ansetzt. in einer sezierten bewegungssprache werden fünf personen, ihre verstrickungen und vereinzelungen analysiert. der wille, alle dunklen seiten auszuleuchten, führt aber auch zur blendung. so müssen die tänzer immer wieder vor der pendelnden lampe ausweichen, sie ducken sich in letzter sekunde weg vor der nahenden gefahr – in schlaglichtartigen szenen erzählt limnaios von bedrohungen, die wie aus dem nichts auftauchen. ralf ollertz an bandoneon und schlagwerk untermalt die minidramen mit suggestiven klängen. vor allem die duette werden schon mal zu regelrechten zerreißproben. da sieht man zwei, die immer mehr auseinander driften und doch nicht loskommen voneinander. durch die unerbittliche wiederholung erhalten die bewegungen etwas obsessives und der tanz entfaltet eine ungemeine sogkraft.« (tagesspiegel, feuilleton, sandra luzina, 2005)