die cie. toula limnaios (cie. – compagnie) ist ein ensemble für zeitgenössischen tanz und wurde 1996 von der choreographin und interpretin toula limnaios und dem komponisten ralf r. ollertz in brüssel gegründet. 1997 verlegte sie auf einladung der akademie der künste ihren hauptsitz nach berlin. 2001 wurde sie mit dem preis des »meeting neuer tanz« ausgezeichnet. ihre beckett-trilogie wurde 2004 unter dem titel »atemzug« als fernsehfilm für zdf/arte produziert. 2003 eröffnete sie ihr eigenes theater halle tanzbühne berlin, das sich zu einem international vernetzten produktionshaus mit multifunktionaler bühne etablierte.
für die jahre 2008 – 2010 zeichnete sie der fonds darstellende künste mit einer förderung für »spitzenensembles des freien theaters und tanzes« aus. 2012 erhielt sie den »george tabori preis«.
die cie. toula limnaios wird seit 2014 institutionell aus mitteln der senatsverwaltung für kultur und europa des landes berlin gefördert und präsentiert ihr repertoire als kulturbotschafterin für das goethe institut und das auswärtige amt auf internationalen bühnen weltweit.

neben ihrer künstlerischen arbeit setzt sie sich nicht nur für innovative arbeitsstrukturen, sondern für die vermittlung von tanz in unserer gesellschaft ein. die cie. toula limnaios zeigt mit ihrem ensemble 60 – 70 vorstellungen pro jahr und arbeitet mit 18 fest angestellten mitarbeiter*innen.
mit flexiblen, schlanken, aber höchst effektiven strukturen und in koproduktion mit internationalen partner*innen, leistet sie kontinuierliche qualitativ hohe ensemblearbeit und gehört damit heute zu einem der erfolgreichsten ensembles für zeitgenössischen tanz.

die cie. toula limnaios zeigt tanz, der sich wach, kritisch und mutig um die menschen bemüht, von und für menschen gemacht.

»zu sehen bekommen die zuschauer traumwandlerische bilder, poetisch-sensible und intime impressionen, bei denen sich sehr gerne reales und surreales vermischen. werke, aus denen man mitunter schwebend herausgeht. die bilderwelten sind geradezu magisch. für den kenner ist eines klar, mit ihren choreografien nimmt toula limnaios in der riesigen tanzszene deutschlands eine sonderstellung, eine ausnahmestellung ein. das, was sie tanzen lässt, kann man sonst nirgendwo sehen und irgendwelchen moden folgt sie sowieso nicht.« (rbb-kulturradio, frank schmid)

»ihr theater ist eine der angesagtesten adressen für zeitgenössischen tanz und kann eine ungewöhnliche erfolgsgeschichte vorweisen: hier ist nahezu jede vorstellung ausverkauft, die compagnie konnte ein ganz eigenes, sonst gar nicht unbedingt tanz-affines publikum gewinnen, das den künstlern voller treue und begeisterung von einer produktion zur nächsten folgt.« (programmbuch tanzplattform, elisabeth nehring)

»die cie. toula limnaios steht für einen tanz, der in die seele dringt. für bildgewaltige, stimmungsstarke reisen in die abgründe und nachwelten. sie hat in ihrer arbeit zu einer ganz eigenen kraft des ausdrucks gefunden. nicht selten dienen der choreographin große werke zur inspiration, weltliteratur, jahrhundert-partituren. klassiker, die sie mit ihrer eigenen ästhetik, ihrem bewegungsvokabular überschreibt und zu psychologisch fein tarierten gegenwartsstücken macht.« (tagesspiegel, patrick wildermann)

auftrittsorte in berlin: akademie der künste, halle tanzbühne berlin, theater am halleschen ufer
national: bielefeld, bonn, bremerhaven, bremen, buchholz, cottbuss, dessau, dortmund, dresden, erlangen, essen, frankfurt/main, hannover, hameln, krefeld, lübeck, heilbronn, münster, nürnberg, oberhausen, offenburg, osnabrück, ludwigshafen, quedlinburg, recklinghausen, stuttgart, wuppertal
international: armenien, belgien, brasilien, dänemark, chile, equador, finnland, frankreich, georgien, griechenland, irland, italien, litauen, lettland, mexiko, nicaragua, österreich, panama, polen, russland, santo domingo, schweiz, senegal, spanien, trinidad&tobago, venezuela, zypern

künstlerische leitung/choreographie

toula limnaios

künstlerische leitung /musik

ralf r. ollertz

tanz/kreation

daniel afonso, rafael abreu, francesca bedin, laura beschi, felix deepen, priscilla fiuza, karolina kardasz, enno kleinehanding, amandine lamouroux, hironori sugata

assistenz

alice gaspari

technischer leiter/lichtdesign

felix grimm

tourneen kooperationen

marie schmieder

public relation

sarah böhmer

licht und bühnentechnik

domenik engemann

bühnentechnik

jan römer

kostüme

antonia limnaios, kristina weiß-busch

visuelle medien

cyan

distribution

fauves - agency for the performing arts

buchhaltung controlling

branko gejic

fotos

cyan, dieter hartwig, jens wazel

kritiken

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20 jahre cie. toula limnaios
was bleibt in erinnerung? bei der heimfahrt in entrückter stimmung nach einer premiere, in den tagen danach, in aufblitzendem nacherleben, noch immer wie eingewoben in einen kokon aus bildern, empfindungen, gedanken. eigentlich müsste man sich nach einer premiere von toula limnaios ein, zwei tage frei nehmen, nichts tun, nur nachspüren, sich erinnern. an den weißen schleier, der in »anderland« (2012) in der luft schwebt, fliegt und flattert. eine fee, ein engel? eine spur des immateriellen, vielleicht erhofften oder doch nur ein stück stoff, zum schweben gebracht von einer tänzerin mit ventilator? erinnern an die torflandschaft in »minute papillon« (2015), ort erschöpfender rastlosigkeit und maßlosigkeit im aktionismus wie im sehnen nach innehalten und gewahrwerden des augenblicks und des selbst. oder an die tonnen fruchtbarer satter erde, den lebensacker, den die tänzer*innen in »every single day« (2011) in gleichnishafter sisyphos-arbeit unermüdlich umwühlen. raum- und szenenbilder, an die erinnerung sich anhaftet, um sich dem anderen zu nähern, dem tanz, der zu sich selbst gefunden hat.

jubiläum. 20 jahre compagnie toula limnaios. was wird gefeiert? sicherlich die beglückende tatsache, dass toula limnaios und ralf r. ollertz und ihre mitarbeiter*innen und die tänzer*innen in den verschiedenen besetzungen es geschafft haben, dass sie den mitunter sehr widrigen umständen, den finanz- und förder-nöten berlins getrotzt, dass sie – erstaunlich genug – mit der halle eine eigene spielstätte erfunden, aufgebaut, mit leben erfüllt haben und nun in eine neustart-zeit führen können. daten. fakten. glückwunsch. feiern und danken. dank für das beharren, die unentwegte suche, die unerschöpfliche neugier. dank für diese tanzkunst.

nehmen wir an, dass es möglich ist, sinnvoll, also zutreffend und nachvollziehbar über tanz zu sprechen und zu schreiben. dann müsste zuerst gesagt werden, dass das schreiben über das tanz-universum von toula limnaios eine herausforderung ist, ebenso beängstigend wie beglückend. denn immer fehlt das richtige wort, entzieht sich ihr tanz dem be-schreiben. es ist so viel zu sehen, zu empfinden, zu verstehen, zu erinnern.

die welt als ganzes und unsere jeweilige kleine irdische existenz mit all ihren wunderlichkeiten, rätselhaftigkeiten, einbildungen, hoffnungen und ängsten, all unsere herkünfte, widersprüche, wechselnden lebens-verständnisse und –erkenntnisse, all unser vermögen, zumeist eher unvermögen zu liebe, vertrauen, verständnis, all die vielen ichs und die vielen fremden innerhalb und außerhalb von uns, all das ist in ihren choreographien, all das leuchtet in den erkenntnismomenten beim zusehen auf, wird verstanden und erahnt. und entfaltet sofort oder im nachklang der erinnerung seine wirkungen.

aber kann man sie in worte bannen? all die szenen, die das eine und das alle enthalten. die irrlichternden soli und duette in »short stories« (2005), in denen sich die mysterien unserer existenz in augenblicken offenbaren. die seelenräume, die zerbrechlich und vergänglich, wie in ausnahme-übergangsstadien der offenheit für alles in »the silencers« (2008) aufscheinen. die feier der existenz von licht und schatten, die in den reigentänzen »if i was real« (2013) in zunehmend lustvoller leichtigkeit und sinnlichkeit wahrhaftig die komplexen landschaften unserer beziehungen zu uns selbst und anderen enthüllt.

metaphorisch, allegorisch, assoziativ ist die bewegungssprache, die zart und durchscheinend rissig wirkt und doch so widerständig ist. das ist idyllische innigkeit im bewusstsein ihrer vergänglichkeit. ungestüme leidenschaft, scheinbar kaum kontrollierbar, im bewusstsein von stillstand, stockung und blockade. irreal träumerisches, phantasmagorische parabel, enigmatische poesie im bewusstsein eines skeptischen existenzialismus. ein durchdringen unserer existenzen, ein vorstoßen zu ihren wesenskernen. und utopie, da doch der tanz allen ernstes behauptet, dass zustände von freiheit, offenheit und durchlässigkeit, von fließender individualität, von empfangen und geben ohne einschränkung und trennung durch herkunft, erfahrung oder gar hierarchie möglich sind. insofern öffnen und zeigen sich im tanz von toula limnaios möglichkeitsräume, von denen man nicht mehr zu träumen gewagt hätte.

tragisch, komisch, lustvoll, lebenssatt, freudvolle spaziergänge am abgrund, melancholisch und verschmitzt lächelnd die risiken und die banalität und härte der welt widerständig annehmen – mit dieser form des getanzten welt-theaters ist toula limnaios ohne gleichen.

aufblitzende erinnerung. an den tänzer in »spuren« (2004), der ein elastisches seil um den leib nach vorn und nach vorn läuft, als würde er in seine zukunft stürzen wollen. das seil reißt ihn immer wieder zurück, von seiner vergangenheit kann er sich nicht lösen. warum sollte er auch?
jubiläum. 20 jahre compagnie toula limnaios. was für ein Glück.
(frank schmid, freier journalist, 2016)