»abwarten höhlt die zeitlichkeit aus, das nicht länger ein als ob, sondern ein ›als ob … als ob‹ genannt werden muß, ein zaudern. ausgehöhlte wiederholung, stumme erwartung, jene, manchmal, einer heulenden oder zugeflüsterten oder mit ironie aufgerollten überstürzung eines wirbels der ausgelassenheit und des schreckens. die unentschiedenheit schlägt in einem günstigen augenblick in einen haß gegen das bild um. es ist der haß gegen alles, was wie die wirklichkeit in den bildern, posen, haltungen und delirien steckt, widersteht und zurückkommt.« (georges didi-huberman, »erfindung der hysterie von jean-martin charcot«)

»…gekonnt ist das crescendo vom minimalistischen augenrollen über die armbewegung im zeitlupentempo bis zum wütend ausladenden kopfschwung, bei dem die haarmähne gesicht und nacken peitscht. malerisch wirken die diagonalen armschwingen, raffiniert die liegepose im profil mit gestrecktem schwebenden bein, technisch fast so vertrackt wie die arabeske im klassischen ballett. aber limnaios braucht keine frappierend weiten sprünge oder rasanten pirouetten, um zu beeindrucken.« (westfälische zeitung, marieluise jeitschko, 2002)

produktion: cie.toula limnaios in koproduktion mit dem theater am halleschen ufer
gastspiele: münster, dresden, akademie der künste, bauhaus dessau

konzept/choreographie

toula limnaios

musik

ralf r. ollertz

tanz/kreation

monica muñoz marin, evelin stadler

lichtdesign

klaus dust

public relation

silke wiethe

kostüme

toula limnaios

videoprojektionen

cyan

fotos

dieter hartwig, cyan

kritiken

×

»den stöckel im nacken /// für ihre aktuelle neuproduktion ›ysteres‹, die jetzt im theater am halleschen ufer premiere hatte, wählte man sich als thematischen mittelpunkt ein schlüsselthema der moderne: die hysterie. orientiert an der berühmten, bis etwa 1880 vom psychiater jean-martin charcot in paris zusammengetragenen fotodokumentation des hysterischen krankheitsbildes, sucht die cie. toula limnaios nach szenischen umsetzungsformen für die fast clowneske verlorenheit, aber auch die kinetische und affektive wucht der vielleicht rätselhaftesten psychopathologischen erscheinungen des 19. jahrhunderts. rasant geschnittene videoeinspielungen zeigen zunächst farbenfrohe bildschirmschonerbällchen, dann plastikmasken und -fratzen sowie ballerina-barbies und ähnlich billige bildsäulensurrogate.
gegen diese künstlichkeit der plastikwelt und des erstarrten setzen die beiden tänzerinnen ihr arsenal zwanghafter, entfremdeter und ›wahn-sinniger‹ bewegungen. sie sind rasend getrieben oder beschaulich sinnierend, versunken oder gehetzt. meist nehmen sie sich gegenseitig dabei gar nicht wahr. die kraft von ›ysteres‹ besteht in der hybriden überlagerung von videobild, klang, tanz und ikonographie.« (frankfurter allgemeine zeitung, franz anton cramer, 2000)

»toula limnaios begeistert bei den 5. internationalen tanzwochen münster /// keine spur von hysterie zeigen die beiden jungen tänzerinnen im duett abgesehen von schauerlichen grimassen, mit denen monica m. marin ihr gesicht entstellt. ansonsten: ein trip in die welt zeitgenössischen tanztheaters zum auftakt der tanzwochen. gekonnt ist das crescendo vom minimalistischen augenrollen über die armbewegung im zeitlupentempo bis zum wütend ausladenden kopfschwung, bei dem die haarmähne gesicht und nacken peitscht. malerisch wirken die diagonalen armschwingen, raffiniert die liegepose im profil mit gestrecktem schwebenden bein, technisch fast so vertrackt wie die arabeske im klassischen ballett. aber limnaios braucht keine frappierend weiten sprünge oder rasanten pirouetten, um zu beeindrucken. sie beruft sich auf die klassik vor allem als rückgrat für ihre kompositionen.
die videoleinwand wird zur schnittstelle und zum partner mit besonders raffinierten optischen effekten, wenn die bewegten muster zum licht-kostüm werden oder der bildschirm die silhouette der tänzerinnen wie ein scherenschnitt einfängt. zum auftakt der tanzwochen stellte limnaios sich als beeindruckende tänzerin und fantasievolle choreographin vor – als eine meisterin der raumkomposition.« (westfälische zeitung, marieluise jeitschko, 2002)