»vertige — schwindel. die empfindung, als ob sich alle uns umgebenden gegenstände in bewegung befänden. hervorgerufen wird diese empfindung entweder durch allzu raschen wechsel der sinneseindrücke, oder durch krankhafte innere vorgänge. rasch vorübergehender sinnesschwindel erheischt gar keine behandlung, ebenso wenig der durch physische affectionen hervorgerufene schwindel. der durch blutandrang veranlaßte verlangt hochlegen des kopfes, kalte umschläge auf denselben, brausepulver oder sodawasser.« (»das goldene buch für praktische hausfrauen, töchter, verlobte«, berlin, 1900)
einmal in den sog seiner kraft geraten, scheint nichts mehr greifbar, der boden unter den füßen droht sich im bildertaumel zu verlieren: aufbegehrender kampf und ausgehöhlte wiederholung, stumme erwartung oder leise ironie, schwelende beklemmung, verharrende ohnmacht und im inneren des körpers aufgestaute anspannung wechseln mit nach außen brechender emotion ab.
»…man sehnt sich nach der rewind-taste des videorekorders, dass man einfach zurückspulen und sich das ganze später nochmals anschauen kann.« (frankfurter allgemeine zeitung, tilmann billing 2000)
»…limnaios stellte sich als beeindruckende tänzerin und fantasievolle choreographin vor – als eine meisterin der raum-komposition.« (westfälische zeitung, marieluise jeitschko, 2002)
eine produktion der cie. toula limnaios in koproduktion mit dem theater am halleschen ufer.
gastspiele: münster, dresden, akademie der künste, dortmund, bauhaus dessau
»die verwirrte kellnerin /// der abend lebt von drei darstellungsebenen: der präsenz der tänzerin, den akustischen reizen und der im zentrum thronenden videoleinwand. … nachdem die gesellschaftliche maske (der kellnerin) gefallen ist, werden die menschlichen abgründe sichtbar. unterdrückte gefühle brechen hervor, der charakter der frau erhält konturen, ihre persönlichkeit ein gesicht. die griechin limnaios, die an der essener folkwangschule studierte und gast war bei pina bausch, vertraut dabei auf einen strengen kanon wiederkehrender bewegungen. sie krümmt und windet sich wie unter seelischen schmerzen, erbebt und zittert, rudert aufgrd hämmert mit der faust auf ihre handteller. die berliner choreographin zeigt gemäß dem stücktitel ›vertige‹ (französisch: schwindel, taumel) seelische zustände der verwirrung, die dem wahnsinn nahe kommen. wie im filmklassiker ›vertigo‹ von hitchcock droht dem betrachter dabei der boden unter den füßen zu entgleiten. die videokünstlergruppe cyan bombardiert das publikum mit einem dauerfeuer an rasenden bildern. … ›vertige‹ entfacht einen taumel, der den zuschauer begierig die tanz- und videobilder in sich aufsaugen lässt. man zappt hin und her, zwischen dem lebendigen frauenkörper und der leinwand. … man sehnt sich nach der rewind-taste, dass man einfach zurückspulen und sich das ganze später nochmals anschauen kann.« (frankfurter allgemeine zeitung, tilmann billing, 2000)
»toula limnaios im taumel quälender bilder /// dann bemächtigt sich ihrer jener titel gebende taumel, der ihre bedrohungen und bedrängnisse explosiv ausspeit, indem er ihnen expressiv form gibt. quälende erinnerungen scheinen auf, … . auf der leinwand laufen in rasantem schnellgang bilder vorüber. … all das bringt die seele der gestalt ins schlingern, versetzt ihren körper in aufruhr. wie eine furie zuckt sie, zittert im donnerlärm rattender maschinen, stürzt, liegt starr, sucht in hängenden schwebezuständen den halt an einem seil mit griff, fällt wieder zu boden. ›i’m in heaven‹ tönt ein hollywoodsong. die beine der frau im schulterstand umgirren sich dazu wie liebende. ruhe findet die gestalt erst am ende, als sie in die wartekonstellation des beginns zurückkeh, im betrachter dafür um so intensiver nachwirkt.« (berliner morgenpost, volkmar draeger, 2000)
»raffinierte posen im licht-kostüm /// toula limnaios begeistert bei den 5. internationalen tanzwochen. zu sehen bekamen die begeisterten zuschauer im voll besetzten pumpenhaus ein faszinierendes gesamtkunstwerk aus konzentrierten, sich in tempo und raumnutzung steigernden bewegungsmustern zu videokompositionen, aus geometrischer kunst und vielfältigsten augenblicken in nahaufnahmen, familienfotos, landschaften, witzige kitschfiguren und modefigurinen. dies alles wurde im zeitraffertempo projiziert und mit einer musik ausgestattet, die aus romantischen streicherklängen und vogelzwitschern, motorischer fabrikmaschinerie und herzklopfen, rascheln und rauschen sowie frauen- und männerstimmen bestand, die mit satanischer gespenstigkeit sinnlose anweisungen und bedrohende dialoge rezitierten.
zum albtraum aus erinnerungen wird limnaios ›reise ins innere der gedanken- und gefühlswelt‹ in dem solo.« (westfälische zeitung, marieluise jeitschko, 2002)
»als ob sich alle gegenstände bewegten. /// vor den videobildern oder seitlich davon, die tänzerin, in abgehackten, sich unaufhörlich wiederholenden bewegungen. limnaios hat in ›vertige‹ eine art eigener taubstummensprache erfunden, eine, die den ganzen körper erfasst und geprägt ist von der anstrengung, sich verständlich machen zu können. ›vertige‹, so wird im laufe des abends sichtbar, ist der versuch einer umstülpung. die sonst innen ablaufenden prozesse werden nach außen gekehrt.« (berliner zeitung, michaela schlagenwerth, 2000)