a collaboration of the cie. toula limnaios and jant-bi (senegal)
the staging follows traces of an encounter like in a travel diary. »à contre corps« is an exploration of identities – of the image of the other and of yourself – and how they influence us. the cie. toula limnaios meets four dancers from senegal and deals with strangeness, masks and ideas, openness and vulnerability. an encounter, when it really happens, is something crucial: a door, a crack, an instant that marks the time and creates before and after. strangely, the stranger is in ourselves: it is the hidden side of our identity. the encounter challenges us to question our familiar worldview. »à contre corps« is a disturbingly fascinating act of balance between strangeness and closeness. the encounter with the other reveals similarities and differences and throws you back in a strange way on the core of your own being. as in a mirror, contradictory forces are awakened in ourselves, we think of values, ideas, traditions, education, history, religion etc.
in a way, every person wears a mask, as a social role or facade. by hiding or revealing the mask, it touches the roots of man. it stimulates the question of respect and the image of the other. other forms of movement and behavior reveal an unexpected strangeness in our own bodies and remind us of our own resistance and our problematic presence. for each individual as well as for the group, to face each other is a challenge, a human adventure. what is accepted, expected, sought and what will happen if it is not wanted? what separates and what connects us, what repels us and what attracts us, what remains foreign to us and what inspires us to be different?
a production by cie. toula limnaios in collaboration with the association jant-bi, co-produced by halle tanzbühne berlin. funded by the german federal cultural foundation, the federal foreign office and the cultural administration of the state of berlin.
»wie siamesische zwillinge /// toula limnaios zeigt in zusammenarbeit mit der senegalesischen gruppe jant-bi das tanzstück ›à contre corps‹.
zehn tänzer eilen über ein auf den boden projiziertes weißes lichtkreuz, als wären sie geschäftig unterwegs, irgendwo im stadtgewimmel dieser welt. man eckt sich an, läuft weiter, lächelt, achtet nicht aufeinander. nur manchmal geschehen ganz beiläufig und unauffällig andere dinge.
da liegt einer auf dem boden und kurz steigt jemand auf diesen rücken und benutzt ihn als surfbrett. da kleben auf einmal zwei körper aneinander, wie bei siamesischen zwillingen, identische gesten werden ausgeführt. nur ist die eine afrikanerin und gestikuliert im duktus des afrikanischen tanzes, und die andere, aus japan kommend, tut das mit den daneben fast überkandidelten bewegungen einer japanischen teezeremonie.
›à contre corps‹ heißt das neueste stück der choreografin toula limnaios, das in kooperation mit der senegalesischen gruppe jant-bi produziert und jetzt in der halle in der eberswalderstraße uraufgeführt wurde. einige wochen hat toula limnaios dafür an germaine acognys ecole des sables, der ›schule am strand‹ gearbeitet, der berühmtesten, weil ersten tanzschule afrikas, die zeitgenössische techniken und traditionellen afrikanischen stil miteinander verknüpft und längst von tänzern aus der ganzen welt besucht wird. danach ging es mit vier tänzern der zur schule gehörigen compagnie jant-bi und dem eigenen ensemble zurück nach berlin. so ist ›à contre corps‹ entstanden, als eine art reisetagebuch, als geschichte über fremdheit, über die vorstellungen, die man voneinander hat. auch die sechs tänzer aus toula limnaios eigener, sechsköpfiger compagnie kommen aus den unterschiedlichsten ländern, aus argentinien und brasilien, aus japan, deutschland, australien. verspielt dreht und wendet limnaios diese vielfalt in unterschiedlichste richtungen, um dann entschieden und gewitzt ihrer afrika-faszination zu erliegen.
ganz einfach sind die bilder, die sie wählt. vielleicht zu einfach da, wo sie auf den kontrast von weißer und schwarzer haut setzt, sich die tänzer etwa jeweils gegenseitig mit farbe einschmieren, mit weißem puder bestäuben. aber da ist man längst gefangen genommen von diesem atmosphärisch dichten stück, in dem die bilder wie lose vorbeifliegen, sich alles mögliche an assoziationen, auch klischees anbietet, die sich dann aber verflüchtigen. da ist ein tänzer, mit übergroßen essstäbchen bewegt er eine andere wie eine marionette. mit den stäbchen verzerrt er die mimik ihres gesichts zum lächeln, zieht ihr einen roten faden wie die zunge aus dem mund, reißt ihn heraus. immer wieder mischt sich das so: verspieltheiten, die von ferne an greuel der kolonialzeit erinnern.
roter filz hängt in losen streifen von der decke herunter. steine, fein nebeneinander an den wänden aufgereiht, begrenzen die bühne. immer düster und dräuender und ritualhafter wird das geschehen auf der bühne, angeheizt von afrikanischen percussions und gesang.
eine reise ins herz der finsternis, so scheint es zumindest für eine weile. doch dann scheint die choreografin nicht so recht zu wissen, wie es weiter gehen soll und lässt ihr achtzigminütiges stück harmlos verenden. aber nichtsdestotrotz ist ›à contre corps‹ nicht nur die größte, sondern wohl auch beste arbeit der choreografin.
noch im vergangenen herbst wandte sich das ensemble mit einem offenen brief an die berliner kulturpolitik. die lage war dramatisch. seit 2003 betreiben die choreografin limnaios und ihr lebensgefährte ralf ollertz die halle. siebzig prozent der kosten erwirtschafteten sie selbst, doch waren sie mit ihren kräften am ende und machten sich mehr als berechtigte hoffnungen auf eine erhöhung der geringen fördermittel. als diese nicht kamen entschied man sich die halle zu schließen und das ensemble, neben der von sasha waltz und constanza macras einzig relevanten zeitgenössischen compagnie aufzugeben.
im letzten moment kam dann durch den kulturstaatssekretär doch noch die rettung. und toula limnaios, schon immer mit einer besonderen, poetischen fantasie ausgestattet, wuchsen geradezu flügel. manche bilder, die man ähnlich schon aus früheren arbeiten zu kennen glaubte, scheinen hier erst zu ihrer eigentlichen kraft zu kommen. wie schön.« (berliner zeitung, feuilleton, michaela schlagenwerth, 2010)
»fremder, zeig mir deine farben. deutsch-afrikanisches tanztheater in berlin /// körper gegen körper: in ›à contre corps‹, einer zusammenarbeit der compagnie toula limnaios mit dem ensemble jant-bi aus dem senegal, sieht man immer wieder heftige konfrontationen. zwei tänzer, die mit aller macht aufeinander losgehen, sich ineinander verkeilen, die ziehen und zerren, bis sie auf wundersame weise zu einem gleichgewicht der kräfte finden. es sind allesamt prekäre balanceakte zwischen nähe und distanz, zwischen anziehung und abwehr des fremden.
in ›à contre corps‹ wird aus dem viel beschworenen dialog der kulturen eine fesselnde tanzperformance. dank der unterstützung durch das auswärtige amt konnte toula limnaios mit fünf ihrer tänzer in den senegal reisen. zwei mal haben die berliner eine einmonatige arbeitsphase in der ecole des sables, der wohl berühmtesten tanzschule afrikas absolviert. anfang märz sind dann vier tänzer des ensembles jant-bi in berlin eingetroffen. die senegalesen bringen eine neue facette in den tanz. es ist erstaunlich, wie gut das multiethnische ensemble in nur wenigen wochen zusammengewachsen ist. tänzer aus unterschiedlichen kulturen treffen für diesen abend in der halle tanzbühne aufeinander: europäer, afrikaner, asiaten und lateinamerikaner. das stück handelt von der erfahrung der fremdheit – erkundet wird aber auch die eigene fremde. es erzählt aber auch von annäherung: wer hier einen schritt auf den anderen zugeht, muss sein vertrautes terrain verlassen. der erforschung dieser ungewissen zwischenzone hat sich das stück verschrieben.
momente eines clash of cultures blitzen nur kurz auf, werden aber immer wieder aufgelöst. wenn limnaios die gruppen der schwarzen und der weißen gegenüberstellt, dann messen sie sich aneinander, konkurrieren mit ihren unterschiedlichen tanzstilen. bisweilen hat es etwas von einer beschwörung, wie die cliquen in einen energetischen austausch treten. die afrikanischen inspirationen sind stark zu spüren, doch limnaios mischt sie mit anderen einflüssen. so rutscht der abend nie in die ethno-kunst ab. geradezu hypnotisch ist der sound: der komponist ralf r. ollertz hat afrikanische gesänge aufgenommen und elektronisch bearbeitet, er kombiniert trommelrhythmen mit akkordeonklängen. auch limnaios gelingen tolle verfremdungseffekte, wenn sie afrikanische oder japanische bewegungen in eine zeitgenössische tanzsprache übersetzt. großartig ihre idee zum thema maske: die tänzer malen sich alle einen weißen kreis ums gesicht – was asiatisch inspiriert ist – und formieren sich zu einer verschworenen gemeinschaft. es erinnert an eine kommunion, wenn sie niederknien und einen altar bilden. brot, wasser und erde sind bestandteile dieses rituals. mit weißem pulver bestäubt oder mit einer schlammmaske bedeckt, scheinen sie auch ihre identität zu wechseln – die farben ihrer seele.
ute pliestermann und elhadji ibrahima ndoye ndiaye beschließen den abend mit einem so zärtlichen wie zupackenden duo. ihr körper ist schwarz bemalt, seiner weiß. mit jeder berührung mischen sich die farben. jede begegnung stellt ein wagnis dar, das wird an diesem so berückenden wie beglückenden abend sinnlich erfahrbar.« (tagesspiegel, kultur, sandra luzina, 2010)
»die compagnie toula limnaios ist nicht noch mehr zu loben. all ihre produktionen sind im ausland unterwegs, getragen durch das lob der empfindlichkeit des tanzenden körpers. zum ersten mal auf deutschem boden präsentiert, ist das stück eine reflexion über identität. es erzählt von der versteckten seite der identität, die jeder von uns in sich trägt, den gefühlen des reisenden, von schaustellern auf fremdem boden. viele fühlen sich von diesem thema herausgefordert, das eine große anzahl von berlinern und berlinerinnen mit fremden wurzeln berührt.« (berlin poche, danse, lysandre coutu-sauvé, 2010)
»farben auf unserer haut. daheim unter fremden: afrika ist weit weg, aber wie weit ist einem manchmal die eigene haut? und wie weit erst die haut des anderen – besonders, wenn sie vielleicht dunkel ist? in der deutsch-senegalesischen tanzproduktion ›à contre corps‹ untersucht die choreografin toula limnaios den zusammenhang von bekanntem und fremdem, von natur und umwelt, von tabu und grenzüberschreitung. die berliner griechin konfrontiert vertraute sitten und sichtweisen mit erfahrungen der unbehaustheit und unvertrautheit. immer wieder spielen masken im konkreten wie im übertragenen sinne eine rolle: was verbergen und kaschieren sie, welchem höheren zweck dienen sie? die inszenierung folgt einem reisetagebuch und erforscht identitäten: schwarz trifft weiß und das ich stößt auf ein du, hier oder dort.« (berliner zeitung, kulturkalender, irene bazinger, 2010)
»unterschiedliche hautfarben, wehende und kräftige haare, luftige und zu boden strebende bewegungen kommen sich in die quere. diesem geschehen schafft lichtdesigner jan langebartels sehr achtsam wechselnde atmosphären. gleißende helligkeit unterstreicht bis ins detail choreografierte gruppensequenzen, in spots können soli entdeckt werden, die für einen moment innehalten. am ende strecken sich die geschwärzten glieder von ute pliestermann und die schwach geweißten von elhadi ibrahima ndoye ndiaye einander entgegen und symbolisch aufgeladen mischen sich die aufgemalten hautfarben in reibung und in schweiß.« (taz, tazplan, franziska buhre, 2010)
»gleich und anders. die choreografin toula limnaios taucht mit vorliebe in die untiefen existentieller fragen ab. die neue produktion ›à contre corps‹ wirft die kulturelle identität der zehn tänzer selbst in die waagschale. symbolhafte bilder zu beginn spiegeln das thema begegnung im zeichen der andersartigkeit. spannend ist das aufeinandertreffen von unterschiedlichen tanzstilen. beim ausloten des vertrauten und des fremden werden auch kulturelle codes ins spiel gebraucht, mal in lustig-befremdlicher form, mal in tabu streifenden handlungen.« (www.tanzpresse.de, annett jaensch, 2010)
»identität ist ein großes thema von toula limnaios. in ›à contre corps‹ geht es darum, was eine begegnung, ein zusammentreffen mit unserer identität macht. mit den tänzern von jant-bi will sie die grenzen zwischen europa und afrika verwischen. ein wichtiges anliegen.« (prinz, frankfurt am main, alexander jürgs, 2010)
»sie kommen in ›à contre corps‹ ebenso vor wie die auf die choreographie maßge-schneiderte musik und die intensiven duette, der körpereinsatz, der in vielen arbeiten limnaios’ mit kleinteiligen gesten wechselt. trotzdem ist etwas anders in ›à contre corps‹: vier der zehn tänzer sind gäste, aus der senegalesischen companie jant-bi. was aufeinanderprallt in der raffinierten lichtarchitektur (jan langebartels), sind nicht nur die körper der tänzer, was dem stück seinen titel gab. in den kostümen, in gesprochenen und gesungenen passagen und vor allem im tanz selbst spielt limnaios mit klischees von afrika und europa, auch von asien: schließlich hat sie zwei japaner unter ihren tänzern. zuweilen entsteht aus den begegnungen doch eine gemeinsamkeit, ein drittes gewissermaßen.
limnaios und ihre tänzer als mitautoren samt co-choreograph patrick acogny und sohn germaines beschäftigen sich mit kulturklischees, die auf den körpern liegen wie die maskenkreise, die sich die tänzer aufmalen, die schuhe, die sie anziehen, das brot, das sie teilen und aneinander zerkrümeln, um gewissermaßen durch all das fremde ans gemeinsame zu dringen. das ergibt schöne, oft intensive bilder mit starken soli und stimmungswechsel.« (frankfurter allgemeine zeitung, eva-maria magel, 2010)
»man trifft sich in der mitte. es geht um differenzen, ihr aufeinandertreffen und verände-rungen durch ihr aufeinandertreffen. die bewegungen von körper an körper verschmieren und vermischen die farben. toula limnaios ist eine meisterin intrikater bewegungsforschung. ihren themen entlockt sie oft den unerwarteten, überraschenden körperausdruck. eine starke bilderfinderin ist die griechin zudem. durch den beitrag des afrikanischen tanzes wirkt >à contre corps> stärker geerdet als andere stücke von limnaios. auch gibt es mitreißende, energievolle ensembles, zu denen die ausstrahlung der zehn tänzerinnen und tänzer entscheidendes beiträgt. sowie die musik von ralf r. ollertz, der diesmal mit senegalesischen musikern zusammengearbeitet hat.« (frankfurter rundschau, sylvia staude, 2010)
»ich sehe was, das ihr nicht seht. limnaios entwickelt konfrontative und einträchtige, spielerische und rivalisierende bewegungen, die alle um den fremden, das fremde in mir, den gegensatz von offenheit und verletzbarkeit, maske und vorstellung, konflikt und austausch kreisen. fast sprachlos (›she is not kayoko, but she could be‹) prüft kayoko minami mittänzer auf deren ›kayoko-ness‹ im medium von tanz und berührung, dringen die zehn zu den geheimnissen wechselseitiger fremdwahrnehmung vor: wie glaube ich, dass der andere meint, dass ich ihn sehe? dem vergnügen der tänzer folgt der humor vieler sequenzen.« (frankfurter neue presse, marcus hladek, 2010)
»in ›à contre corps‹ geht es um die begegnung der kulturen. limnaios ist aber so klug, eine naiv wohlmeinenden feier des multikulturalismus zu meiden. es ist das unserem umgang mit dem fremden immer noch prägende, auf die kolonialzeit zurückgehende bild vom faszinierenden fremden, das limnaios mit dem blick unserer tage überarbeitet. klischees streift sie immer wieder, reproduziert sie aber nie. konfliktfrei verläuft das aufeinandertreffen nicht. es geht um interesse und ambivalenz, gemeinschaft und erfahrung, austausch und selbstbehauptung – auch um eine betrachtung des eigenen im fremden. fern einer vorführung ethnischer traditionen, wie sie teile der den westlichen markt bedienenden weltmusik ausmachen, treten moderne menschen vom afrikanischen kontinent in erscheinung. sie tragen ihre überlieferte kultur in sich, in einer einheit mit der prägung der moderne. komponist ralf r. ollertz stellt den klang afrikanischer trommeln in den zusammenhang der westlichen avantgarde, der seinerseits in seinem repetitiven strukturdenken afrikanischen und fernöstlichen musikkulturen viel verdankt. limnaios nimmt das spiel mit der maske transformierend auf. zum schluss verschlingen sich ein weiß gepuderter schwarzer männer- und ein schwarz getünchter heller frauenkörper unter zunehmend wechselseitiger abfärbung. die szenenfolge ist dramaturgisch perfekt gebaut. limnaios verfügt über ein hoch entwickeltes tanzsprachliches vermögen.« (offenbach-post, s. michalzik, 2010)