– oder die wunde des schmetterlings
wunden sprechen aus dem wachen und träumen. das stück folgt einer fantastischen ausfaltung zwischen traum und trauma. zonen des formlosen, bruchstückhaften, wo sich verdrängtes und aus dem bewusstsein verschwundenes sammelt und wälzt. das vertraute entgleitet und ein eben noch sicheres gefüge wankt und bricht; so nimmt die wirklichkeit selbst traumhafte und schmerzliche züge an. alles ungereimte wird wahrscheinlich. wie nachtwandler auf der bühne, sind die interpreten von videoprojektionen (cyan) begleitet, die den tanz zusammen in einen zustand der verletzlichkeit führen. »wound« ist den brüchen der menschlichen verwundbarkeit und seinen schmerzen auf der spur.

»›wound‹ erinnert an strindbergs ›ein traumspiel‹ … eine einzigartige und intensive arbeit.« (magasinet terpsichore, dänemark, maria hammer, 2009) 

eine produktion der cie. toula limnaios in koproduktion mit dem künstlerhaus mousonturm frankfurt/main, dem musikteater baltoppen und der halle tanzbühne berlin. mit freundlicher unterstützung der senatskanzlei für kulturelle angelegenheiten des landes berlin und des nationalen performance netz aus mitteln des bundes.
gastspiele: kopenhagen, frankfurt/m., nürnberg, stuttgart, krefeld, bremen, monterrey (mexico)

premiere 2009 tanz/kreation: mercedes appugliese, fleur conlon, kayoko minami, clebio oliveira, ute pliestermann, hironori sugata

fotos: dieter hartwig, cyan

konzept/choreographie

toula limnaios

musik

ralf r. ollertz

tanz

daniel afonso, leonardo d’aquino, katja scholz, hironori sugata, karolina wyrwal, inhee yu

lichtdesign

jan langebartels

choreographische assistenz

ute pliestermann

public relation

silke wiethe

kostüme

antonia limnaios, toula limnaios

videoprojektionen

cyan

kritiken

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»aufgeführt von der radikalen deutschen tanzkompanie cie.toula limnaios, ist ›wound‹ eine intensive und beunruhigende, aber unvergessliche erfahrung, die sich auf fragmente von träumen, erinnerungen und albträumen stützt. unser mann in berlin, mark fernyhough, berichtet. heike schneider-matzigkeit fotografiert die im jahrgang 1996 von der in athen geborenen tänzerin/ choreographin toula limnaios (bekannt als ›die philosophin des tanzes‹) und dem komponisten ralf r. ollertz gegründete zeitgenössische tanzcompagnie cie. toula limnaios, die heute als tour de force im gehobenen spektrum der berliner kunstszene gilt. an der übernahme der ehemaligen polizei-turnhalle direkt hinter der derzeitigen strafverfolgungsbehörde von prenzlauer berg als ihre atmosphärische probe- und aufführungsbasis ist nichts ungehöriges oder illegales, nur körperliche kunstexperimente auf höchstem niveau. und heute abend findet die generalprobe eines neuen werks, einfach betitelt mit ‚wunde‘ statt, das video, licht, tanz und performance-kunst eloquent integriert, um die uralten themen träume, schmerz und menschliche zerbrechlichkeit zu erkunden.
trotz der überzeugung der kompagnie, ihr herz auf der zunge zu tragen und einer mitreißenden intensität, die das ganze stück unterstreicht, drücken sie nicht ein einziges mal unhöflich ihre emotionen oder thematischen absichten auf das publikum; vielmehr ist die leistung ebenso sanft wie kraftvoll. allein die mimik von ute pliestermann spricht lauter als ein stich ins herz. es ist eine verwandtschaft und chemie zwischen den tänzern auf der bühne spürbar und erfrischenderweise scheint es nie, dass eine einzelne person um das rampenlicht kämpft. stattdessen tanzen sie als zusammenhängendes ganzes.
die cie.toula limnaios zeigt sowohl eine frische als auch innovative rohheit, die in etablierten tanzorten häufig fehlt, aber es fehlt ihnen nichts an talent, disziplin oder produktionswerten. ›wound‹ ist raffiniert, einfallsreich und bewegend. angesichts der nachbarn der cie.toula limnaios wäre es ein verbrechen, sie zu übersehen.« (www.nudemagazine.co.uk, 2009)

»sie zählt zweifellos zu den betreibern eines werkes, das sich unter ihren händen fortlaufend entfaltet und minutiös verwandelt. was bei ihr konstant bleibt, wäre als komplexe gleichung zu umschreiben: ein diffuses, aber handfestes, stets bildkräftiges überlappen von tanz und handlungsspiel, surrealem und psychodrama, sakralität und mythos, stille und klang, kräften und akteuren, verdrängung und symbol, wiederkehr und überschreitung.« (frankfurter allgemeine zeitung)

»… langsam und hochkonzentriert entfalten sich assoziative bilderwelten von verstörender wirkung und überraschend sanften momenten, die einander tangieren, folgen, überlagern, in der wiederholung eine magische konzentration im publikum ermöglichen, das sich dem sog aus bewegung, musik, bild- und filmsequenzen, licht und kostüm nicht entziehen kann. ein einstündiges ´traumspiel´ mit menschen in erschütterung. unter der oberfläche lauert die gewalt, brodelt die kraft der zerstörung. das nicht geheure offenbart sich in details. … die paartänze und gruppenaktionen etablieren auf der szene die verwundbarkeit der menschlichen kreatur. dabei potenzieren die dramaturgisch kontrapunktisch oder vertiefend platzierten s-w filmsequenzen (video: cyan) die bildkraft und lenken den blick des zuschauers in neue abgründe: … ein nachdenklicher tanzabend von verstörender bildkraft und bezwingender intensität.« (neues deutschland/www.tanznetz.de)

»›wound‹ – eine seltene wunderbare dis-utopie: das stück war ein faszinierendes wiedersehen mit sechs sehr unterschiedlichen und talentierten tänzern, von denen jeder eine ganz eigene ausstrahlung auf der bühne besitzt. das ensemble wächst vollständig zusammen u.a. wegen der bewunderungswürdigen leistung, zum teil, weil ein überwältigendes gefühl der freude über die erfahrung dieser großen kunst eintritt. das stück hat einen hang zum bizarren. ›wound‹ machte in baltoppen einen genau so großen eindruck wie auf das berliner publikum, wo dr. schmidt-feister sogar schrieb, es wäre ein verbrechen, diese performance zu verpassen. die tänzer stellen einen endlosen alptraum – vielleicht unsere realität – dar, die sich vor unseren augen entfaltet. ›wound‹ zeigt verstörende bilder. paar-tänze und interaktionen in der gruppe zeigen emotional gestörte menschen und erinnern an strindbergs ›ein traumspiel‹. momente der menschlichen verletzlichkeit und sehnsucht werden gehalten und verstanden. der traum lebt weiter, doch der alptraum ist noch nicht vorüber, die wunden sind noch nicht verheilt und zerstörung lauert knapp unter der oberfläche. ›wound‹ ist die dritte co-produktion mit baltoppen und eine einzigartige und intensive arbeit.
eine seltene wunderbare dis-utopie. und was ist eine richtige dis-utopie? – ein schreck-gespenst, das gegenteil der utopie einer idealen gesellschaft. in dis-utopien zeigt sich eine gesellschaft mit furchterregenden elementen, die häufig in die zukunft überragen …« (magasinet terpsichore, maria hammer, 2010)

»nach den hautschichten /// seit 1997 ist toula limnaios als eine der besten deutschen tanztheater-choreografinnen vertreten, und gilt als eine der interessantesten vertreterinnen des tanzes der poesie. mehrere dutzend stücke mit tanz, theater, musik und video stürzten gefühle in die welt, dem schnittpunkt von fiktion und realität, auf der such nach innerer und äußerer identität. in ›wound‹ begibt man sich in versteckte höhlen, die verletzungen und beschwerden bergen. die performance ist eine psychologische beobachtung, oder sogar eine art psychologischer versuch, die befreiung der rückseite – unangenehme erfahrungen mit einer menschlichen verletzlichkeit und körperlichen und seelischen wunden verbunden – mit geheimnisvollen träumen und alpträumen. sechs tänzer … bilden ›verzerrte‹ duette, gruppen-kombinationen oder die ausübung der unruhigen soli, offenbaren hier ihre nackten wahren gefühle, versteckt hinter masken, erstellen sie einfach eine reale welt … zwischen emotionen und brutaler realität. … das spiel ist wirklich des nachdenkens über die umfassenden themen wert, szenen und bilder verbreitern das auge der besucher. körperliche und geistige hautveränderungen erhöht suggestive sowohl der komponist ralf r. ollertz (musik) als auch die künstler der gruppe cyan (video).« (www.menufaktura.lt, litauen, ingrid gerbutaviciute, 2009)

»toula limnaios ist eine meisterin der originellen bewegungsfindung. sie dreht und wendet, schüttelt oder rührt, und ein fremder, reizvoller geschmack entsteht. ein tänzer wird zum zwitter aus pferd und vogel (oder vielleicht minotaurus), eine tänzerin steigt in einer anderen szene auf ihm herum, zuerst in pumps, dann barfuß. kleine, intrikate bewegungen fügen sich immer wieder zwischen ausgreifendere ensembles. oder drei der sechs tänzer fügen sich zu einer skulptur, die nie einen stand-punkt findet. … in jedem moment gibt es spannendes zu sehen, stoßen bewegungen andere bewegungen und die gedanken des zuschauers an.« (frankfurter rundschau, sylvia staude, 2009)